WISSENWERTES

Verkehrssicherheit, Baumkontrolle und Baumuntersuchung

Um die Verkehrssicherheit von Bäumen im öffentlichen Raum zu gewährleisten, muss eine regelmäßige Baumkontrolle durchgeführt werden. Manchmal ist zusätzlich noch eine eingehende Baumuntersuchung zur Überprüfung der Verkehrssicherheit notwendig.

Baumbesitzer beziehungsweise für Bäume im öffentlichen Raum verantwortliche Personen sind grundsätzlich verpflichtet, Schäden durch diese Bäume an Personen und Sachen zu verhindern. Diese sogenannte Verkehrssicherheit der Bäume muss in regelmäßigen Abständen überprüft werden.

Entwicklungen, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen können

Bäume im urbanen Umfeld sind besonderen Belastungen ausgesetzt. Zum Beispiel durch Bodenverdichtungen, Immissionen oder Ab- und Aufgrabungen bei Baumaßnahmen. Folgende Faktoren beeinflussen die Verkehrssicherheit von Bäumen:

  • Totholz entsteht zum Beispiel durch Lichtmangel, schlechte Standortbedingungen, Einschränkungen im Wurzelbereich oder Wassermangel; aber auch durch Krankheiten wie beispielsweise die Massaria-Krankheit bei Platanen. Auch mit zunehmendem Alter können einzelne Äste oder ganze Kronenteile absterben.
  • Kronenfehlentwicklungen können entstehen, wenn ein Baum nicht fachgerecht beschnitten wird. Diese können später wiederum zu einer verminderten Bruchsicherheit einzelner Baumteile führen.
  • Fäulen im Stammbereich entstehen durch Holz zerstörende Pilze. Diese dringen häufig durch Verletzungen in der Baumrinde ein. Jeder abgeschnittene Ast hinterlässt also eine „Eintrittspforte“ für diese Schädlinge.
  • Durch eine Freistellung von Bäumen sind die Kronen meistens einer größeren Windlast ausgesetzt. Dadurch kann  die Stand- und/oder Bruchsicherheit akut gefährdet sein Auch Sonnenbrand ist eine häufige Folge von plötzlichen Freistellungen. Die langfristigen Folgen von Sonnenbrand wiederum beeinträchtigen die Verkehrssicherheit der betroffenen Bäume enorm.
    Idealerweise wird hier schon im Voraus geprüft, ob ein Baum durch Kroneneinkürzungen oder –sicherungen entsprechend auf sein verändertes Umfeld vorbereitet werden kann.
  • Eingriffe in den Wurzelbereich entstehen vor allem durch Hoch- und Tiefbaumaßnahmen im Baumumfeld. Ausgrabungen im statisch wirksamen Wurzelraum können die Standsicherheit kurz- und längerfristig massiv gefährden, selbst wenn dabei keine Grob- und Starkwurzeln betroffen sind.

Viele der biologisch begründeten Veränderungen im Baum entwickeln sich über lange Zeiträume, in der Regel mehrere Jahrzehnte. Deshalb werden in regelmäßigen Abständen Baumkontrollen durchgeführt, um die Verkehrssicherheit zu überprüfen, mögliche Schäden am Baum zu ermitteln und notwendige Sicherungs- und Pflegemaßnahmen festzulegen. Bei unvorhergesehenen Ereignissen wie Stürmen oder akuten Eingriffen im Baumumfeld sind zusätzliche,zeitnahe Kontrollen notwendig.

Idealerweise beginnt die Herstellung der Verkehrssicherheit bereits mit der Planung zur Pflanzung und einer entsprechenden Pflege in der Jugendphase der Bäume. Zum Beispiel lässt sich so die Entwicklung von Ästen, die später einmal problematisch werden könnten, unterbinden. Dadurch wird verhindert, dass später Starkäste eingekürzt oder ganz entfernt werden müssen. Dies erspart dem ausgewachsenen Baum eine Verletzung, einen möglichen Eintritt von Pilzen über die Wunde und sichert so seine langfristige Vitalität und Lebenserwartung. Ein gesunder Baum muss wiederum seltener kontrolliert werden. Das spart Kosten.

Regelmäßige Baumkontrolle

Wir führen die Regelkontrollen gemäß der geltenden Baumkontrollrichtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) durch.

Wie oft ein Baum nach diesen Vorgaben kontrolliert werden muss, hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Die berechtigte Sicherheitserwartung des Verkehrs ist zum Beispiel an einer stark frequentierten Straße höher als bei einem Wirtschaftsweg. Ebenso auf innerstädtischen Parkflächen und Spielplätzen im Vergleich zu weniger besuchten waldartigen Grünflächen.
  • Der Zustand des Baumes bestimmt sich durch seine Vitalität (Wüchsigkeit) und seine allgemeine Gesundheit (Totholz, Belaubungsdichte, Größe und Zustand der Blätter etc). Hier wird bei der Regelkontrolle auf die sogenannten verdächtigen Umstände geachtet. Dazu zählen unter anderem dürres Astwerk, auffällige Verfärbungen am Laub, maßgebliche Beschädigungen oder ein ungünstiger statischer Aufbau. Stärker geschädigte Bäume werden häufiger kontrolliert (siehe Tabelle unten).
  • Beim Standort unterscheidet man zwischen Einzelbäumen und Bäumen im Bestand. Schlechte Standortbedingungen können vor allem durch die Bildung von Totholz als auch durch eine verminderte Regenerationsfähigkeit (gegen Schäden, Fäulen etc.) die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.
  • Gibt es Veränderungen im Baumumfeld wie etwa Baumaßnahmen, die den Baum und sein Wurzelwerk beeinflussen, sind in vielen Fällen Zusatzkontrollen notwendig.
  • Die Entwicklungsphasen eines Baumes unterteilen sich in Jugend-, Reife- und Altersphase (0-15 Jahre, 15-50 bzw. 80 Jahre, ab 50 bzw. 80 Jahren). Mit zunehmendem Alter eines Baumes werden in der Regel kürzere Kontrollintervalle notwendig (siehe Tabelle unten), da neben äußeren Einflüssen auch biologisch bedingte Schäden zunehmen und damit mehr oder andere Baumpflegemaßnahmen wie Kronensicherungen für die Erhaltung der Verkehrssicherheit notwendig werden können.
  • Je nach Baumart unterscheiden sich Wuchs, Lebenserwartung, Holzfestigkeit, Kompensations- und Regenerationsfähigkeit sowie Abschottungsreaktionen im Holz. Somit wirken sich Pilzbefall und andere Einflüsse unterschiedlich aus.

Grob lassen sich die Kontrollintervalle wie folgt einteilen:

 


nach FLL-Baumkontrollrichtlinien 2010

Die Regelkontrolle ist eine Sichtkontrolle in Form einer „fachlich qualifizierten Inaugenscheinnahme“ vom Boden aus. Die Ergebnisse sowie der mögliche Handlungsbedarf zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Verkehrssicherheit werden dokumentiert.

Lässt sich die Verkehrssicherheit nicht eindeutig bestätigen, folgt eine eingehende Baumuntersuchung.


nach FLL-Baumkontrollrichtlinien 2010

Eingehende Baumuntersuchung

Für die eingehende Baumuntersuchung gibt es kein Patentrezept. Die Auswahl der methodischen Vorgehensweise und der technischen Untersuchungsverfahren sowie die abschließende Beurteilung hängen vom jeweiligen Einzelfall ab. Dabei gilt, die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes zu beachten und den Baum und sein Umfeld so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Auch hier richten wir uns nach den Baumuntersuchungsrichtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL).

Ziel ist es, die Konsequenzen sichtbarer Schäden und Schadsymptome am Baum sowie Beeinträchtigungen im Baumumfeld einzuschätzen und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen einzuleiten. Die Statik kann zum Beispiel durch Fehlwuchs, menschliche Einwirkungen oder Pilzbefall beeinträchtigt sein.

Methoden und technische Untersuchungsverfahren

Baumuntersuchungen sind zeitaufwendig und erfordern besondere Fachkenntnisse, inklusive eines Überblicks über die verfügbaren technischen Untersuchungsverfahren und Methoden, ihrer Eigenschaften, Vor- und Nachteile sowie Möglichkeiten und Grenzen im spezifischen Einzelfall.

Visuelle Beurteilung

Zunächst beginnt man mit einer intensiven visuellen Untersuchung des Baumes und seines Umfeldes mit ersten einfachen Berechnungen. Dazu gehört eine fachlich fundierte Interpretation der festgestellten Schadsymptome bezüglich des Zustands des Baumes sowie gegebenenfalls der Ursachen und der Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit.

Beurteilt werden dabei die Faktoren Baumart, Vitalität, Standortverhältnisse, Habitus, Kompensationswachstum, eventueller Pilzbefall, Windlast, Verhältnis von Höhe zu Stammdurchmesser (h/d-Verhältnis) in ihrer Gesamtheit und ihren Wechselwirkungen.

Mögliche Hilfsmittel für diesen Teil der Untersuchung sind Schonhammer, Sondierstab, Höhenmesser, Fernglas, Lupe, Kluppe, Maßband, Hubarbeitsbühne oder Seilklettertechnik.

Reicht die intensive, visuelle Untersuchung nicht aus, um die Verkehrssicherheit abschließend zu beurteilen, folgen weitere Methoden und Untersuchungsverfahren.

Technische Untersuchungsverfahren

Verschiedene technische Verfahren liefern Messergebnisse, die bezüglich der Verkehrssicherheit des Baumes interpretiert werden müssen. Da einige dieser Verfahren, zum Beispiel Bohrmessungen, Schäden am Baum hinterlassen können, sollten sie nur eingesetzt werden, wenn die schonenderen Verfahren keine ausreichend sichere Beurteilung des Baumes ermöglichen. Da auch diese Untersuchungen nur eine Momentaufnahme Baumzustands geben, müssen sie eventuell in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Neben der Entnahme von Boden- und/oder Holzproben zur Untersuchung im Labor sowie der Untersuchung der Wurzeln durch Aufgraben bzw. Freispülen gibt es einige technische Verfahren:

Schalluntersuchungsverfahren

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Schallwellen im Baumstamm hängt von der Dichte und Elastizität des Holzes ab. Diese wird wiederum von Feuchte, Temperatur, Qualität und Zustand des Holzes bestimmt.

Für eine Schalluntersuchung werden Schrauben oder Nägel durch die Rinde hindurch ins Splintholz gesetzt und mit Sensoren gekoppelt. Durch Klopfen erzeugte Schallimpulse laufen so durch den Stamm und werden von den verschiedenen Sensoren registriert. Liegen Schäden im Stamm vor, wie beispielsweise Risse, Hohlräume oder Fäulen, muss der Schall einen „Umweg“ gehen. Dieser Umweg lässt sich anhand der Schallgeschwindigkeit ablesen. Durch computergestützte Berechnungen der unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten lässt sich nun ein zwei- oder dreidimensionales Abbild des Stamminneren darstellen.

Zugversuche

Für genaue Berechnungen zur Bruch- und Standfestigkeit von Bäumen können auch Zugversuche durchgeführt werden. Dafür wird mithilfe einer Seilwinde eine sogenannte Windersatzlast in die Krone eingeleitet. Mit Sensoren wird dann die Biegung des Stammes (Dehnung und Stauchung der Holzfasern im Stamm) sowie die Neigung am Stammfuß gemessen.

Die Windersatzlast wird hierbei mit der angenommenen Windlast auf den Baum an seinem spezifischen Standort verglichen. Diese wiederum berechnet sich aus den Faktoren Baumhöhe, Dichte, Durchlässigkeit, Form und Größe der Krone sowie Standorteinflüssen.

Zur Messung der Bruchsicherheit (mittels Elastometer) wird die Dehnung der äußeren Holzfasern gemessen und mit den Elastizitätsgrenzen grüner Hölzer nach dem sogenannten Stuttgarter Festigkeitskatalog verglichen. Die so errechnete Bruchlast wird mit der angenommenen Belastung bei einem Orkan verglichen und aus dem Ergebnis eine prozentuale Bruchsicherheit des Baumes bzw. Baumteils abgeleitet.

Zur Messung der Standsicherheit (mittels Inklinometer) wird die gemessene Neigung am Stammfuß mit dem generellen Neigungs- und Kippverhalten windbelasteter Bäume verglichen. So wird die Last ermittelt, welche zum Versagen der Verankerung des Baumes im Boden führt. Diese wird wiederum mit der Orkanlast verglichen und aus dem Ergebnis eine prozentuale Standsicherheit abgeleitet.

Bohrmessungen

Um unnötige Schäden am Baum zu vermeiden, müssen die Messpunkte für Bohrungen sehr sorgfältig ausgewählt werden. Dafür braucht es einen erfahrenen und entsprechend ausgebildeten Anwender der Geräte.

Mit Bohrwiderstandsmessungen lassen sich Schäden im Holz sowie die Restwandstärke an der jeweiligen Messstelle ermitteln. Gemessen wird der mechanische Widerstand beim Eindringen der rotierenden Bohrnadel in den Stamm. Die aufgezeichnete Messkurve kann Aufschluss über Fäulen und andere Veränderungen im Holz geben.

Grundsätzlich sind die schonenden Verfahren zu bevorzugen (hauptsächlich Schalltomographie und Zugversuch), da durch diese nur geringfügige bis gar keine Schäden im Baum entstehen. Da Bohrungen immer ein Loch hinterlassen, welches eine Eintrittspforte für Schädlinge (Pilze, Parasiten etc.) darstellt, wenden wir diese nur in begründeten Ausnahmefällen an – quasi als Unterstützung für die schonenden Verfahren, wenn die Ergebnisse noch keine sichere Interpretation zulassen.

Zusammenfassende Beurteilung und Dokumentation

Alle Messergebnisse und weitere Berechnungen der technischen Untersuchung müssen detailliert dokumentiert werden, damit sie für Dritte nachvollziehbar sind. Die Zusammenführung der Messergebnisse aus den verschiedenen Verfahren liefern die Grundlage für die fachliche Beurteilung der Verkehrssicherheit des Baumes. Außerdem wird eine Abschätzung der zukünftigen Entwicklung des Baumes abgegeben. Hier spielen die Regenerationsfähigkeit und Standort-/Baumumfeldeigenschaften, die Ursachen für eine mögliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit (z.B. Pilzbefall, Wurzelschäden etc.) sowie die bereits erfolgte Baumreaktion eine Rolle. Hinzu kommt die Festlegung des weiteren Vorgehens inklusive möglicher notwendiger Pflegemaßnahmen in einem bestimmten zeitlichen Rahmen (sofort, innerhalb von 2 Wochen, innerhalb von 6 Monaten, innerhalb der nächsten 2 Jahre).

Insgesamt müssen Baumkontrolle bzw. Baumuntersuchung und Baumpflege als eine funktionelle Einheit betrachtet werden. Denn die Abnahme von durchgeführten Pflegemaßnahmen wie dem Beschneiden der Bäume ist der eigentliche Abschluss der Kontrolle.